In-Vitro-Fleisch; Erzeugung von Fleischprodukten via "tissue-engineering"-Technologien
Im kultivierten Fleisch (=In-Vitro-Fleisch =Clean Meat) liegt
ein enormes finanzielles, ökologisches, gesundheitliches und
tierleidfreies Zukunftspotential in unserer Ernährung. Die Idee:
Tierisches Fleisch wird einfach ohne ein Tier erzeugt. Vom Tier stammen
nur noch initial ganz wenige Ausgangszellen (die auch dem lebenden
Organismus schmerzfrei entnommen werden können), danach wachsen
und vermehren sich diese Zellen außerhalb von Tieren in Nährlösungen
und könnten theoretisch den gesamten Weltfleischverbrauch abdecken.
Das alles geschieht ohne Einsatz von Gentechnik, also ohne jeglichen
Eingriff in die DNA-Sequenzen von Zellen.
Die etwas einfachere Aufgabe wird die Erzeugung verarbeiteter Fleischwaren
sein, wie Würste, Nuggets oder Burger. Schwieriger wird die Erzeugung
von Fleisch in der Originalkonsistenz, insbesondere eines In-Vitro-Steaks.
Steak-Fleisch besteht aus Muskelfleisch durchzogen mit endlos langen,
feinsten Äderchen zum Transport von Blut und Nährstoffen
direkt zu den einzelnen Zellen. So etwas nachzubauen ist eine größere
Herausforderung als die Erzeugung kleiner Zellbällchen, die dann
zu größeren Zellbällchen und zu einem In-Vitro-Hühnernugget
zusammengebaut werden.
Die wichtigste Herausforderungen, um geschmacklich
und ökonomisch Tierfleisch übertreffen zu können sind:
Ausgangszellen:
Diese können z.B. dem lebenden Tier via Biopsie schmerzfrei entnommen
werden. Die Frage ist aber: Welche Art von Zellen verwendet man? Stammzellen
sind Zellen, die sich quasi noch nicht entschieden haben, was sie
mal werden wollen, ob Muskel oder Knochen oder was auch immer. Das
ist ein Nachteil, weil man zur In-Vitro-Fleischerzeugung sehr gezielt
Muskelzellen wachsen lassen will. Vorteil der Stammzellen ist aber,
dass sie sich extrem rasch vermehren lassen. Das Gegenteil der Verwendung
von Stammzellen wäre die Verwendung völlig ausdifferenzierter
Muskelzellen, die „wissen zwar, was sie sind“, aber lassen
sich kaum vermehren. Ein Kompromiss ist die Verwendung von Zellen
zwischen den Extremen, also Zellen mit akzeptabler Vermehrbarkeit
und akzeptabler Ausdifferenzierung, z.B. sog. Myoblasten.
Medien zum Wachsen / Nährlösung:
Ziel ist es, Wachstumsmedien zu finden, die kostengünstig und
frei von tierischen Inhaltstoffen sind. Kälberserum beispielsweise
ist im Zusammenhang mit kultiviertem Fleisch natürlich keine
Option. Das Medium muss die Zellen direkt ernähren können,
da bei kultiviertem Fleisch keine Verdauungsorgane wie beim Tier vorhanden
sind, die die Nährstoffe für die Ernährung der Zellen
aufbereiten können.
Material zum Andocken für die Zellen
/ Essbare Gerüste:
Um dreidimensionale In-Vitro-Fleischprodukte zu erreichen, und um
den Zellen etwas zu geben, worauf sie wachsen können, braucht
man Gerüste. Ideal ist ein essbares Gerüst, das vom Endprodukt
nicht entfernt werden muss. Wünschenswert ist, dass Änderungen
von pH-Wert oder Temperatur eine große Volumsreaktion des Andock-Gerüsts
verursachen, um die Zellen durch Bewegung zu „trainieren“,
analog wie es im tierischen Muskel auch der Fall ist. Statt auf Gerüsten
oder Schwämmen könnten die Zellen auch auf Membranen oder
Kügelchen wachsen, die man dann aufeinander stapelt oder miteinander
verbindet. Ausgangsstoffe für die Andockstrukturen für die
Zellen sind z.B. Chitin, Collagen oder Alginate, wobei diese Materialien
in unserem Anwendungsfall pflanzlich oder chemisch hergestellt werden
müssen.
Bioreaktor:
Im Bioreaktor kommt letztlich alles zusammen, Zellen, Medien und Andockmaterial.
Durch Temperaturschwankungen wird eine Umgebung wie im Fitnesscenter
für die Zellen geschaffen mit Bewegungstraining für die
Muskelzellen. Kultiviertes Fleisch muss aus kleineren und größeren
Fasern aus Muskelzellen bestehen, dazu Bindegewebe, das Elastin und
Collagen produziert, sowie Fettzellen als Geschmacksgeber.
Für alle oben genannten Punkte sind ökonomisch
akzeptable Lösungen noch unerforscht, hier wartet die Menschheit
noch auf den großen Durchbruch.
Noch eine Anmerkung zum Thema Natürlichkeit:
Kultiviertes Fleisch soll ja die Massenproduktion von Fleisch aus
industrieller Tierhaltung ablösen, es stellt aber z.B. keine
Konkurrenz zu Gemüse aus biologischem Anbau dar. Kultiviertes
Fleisch wäre mit Sicherheit ein Fortschritt in Bezug auf Gesundheit,
wohl auch Natürlichkeit, sowie Ökologie und Tierschutz im
Vergleich zu den industriellen
Formen der Tierhaltung.
Aktueller Stand der Forschung:
Derzeit gibt es 3 besonders aktive Länder in der Entwicklung von kultiviertem Fleisch: Die USA, Schwerpunkt Kalifornien,
mit Firmen wie "Memphis Meats", oder "Hampton Creek / Just " oder "Finless Foods"
(kultivierter Fisch), die Niederlande mit "MosaMeat" und auch Israel mit "Supermeat" und "The Kitchen Foodtech Hub".
Japan könnte mit dem Open Source "Shojinmeat Project" ein weiteres Zentrum der Forschung werden.
New
Harvest - Organisation zur Förderung von kultiviertem Fleisch!
The
Modern Agriculture Foundation - eine weitere Organisation dazu!
The
Good Food Institute - eine dritte Organisation für kultiviertes Fleisch und mehr!
Visionen von In-vitro-Fleich (VIF) - deutschsprachiges Projekt
Internationales
In Vitro Meat Konsortium-Homepage
InVitroMeat
Foundation
Kürzere wiss.
Publikation über Status quo der Forschung 2017
Forschungsbericht von VIF auf deutsch, 2017
Cultivated Meat Report GFI, 2020
People should replace animal meat with cultured meat - US survey 2017
Links zu Medienberichten
Startup-Firma Modern
Meadow und Fleisch aus dem 3-D-Drucker (Der Standard)
Video
über kultiviertes Fleisch
17 Millionen US$ für Memphis Meats von Gates, Branson, Cargill (2017)
Das IndieBio-Lab in San Francisco, Hot Spot der Entwicklung (incl. Video)
Video of latest innovations in clean meat (end 2018)